Am 1. April nimmt das Bonner Gaswerk als erstes städtisches Unternehmen seinen Betrieb an der Karlstraße auf – am heutigen Standort des SWB-Heizkraftwerks Nord und der SWB-Müllverwertungsanlage (MVA). Von nun an strömt „Stadtgas“ durch das Bonner Rohrnetz. Mit 1.205 privaten Kunden und einer Jahresabgabe von rund 1,4 Millionen Kubikmetern Gas beginnt die erfolgreiche Unternehmensgeschichte der Stadtwerke Bonn. Die Wurzeln der öffentlichen Gasversorgung in Bonn reichen sogar noch weiter ins vorletzte Jahrhundert zurück.
Am 28. Juli 1852 schließt die Stadt mit dem Kaufmann Alexander Oster einen Vertrag über den Bau und Betrieb einer Gasanlage, um die Straßen und Plätze in Bonn zu beleuchten. Dieses Ereignis ist der Auftakt für ein neues Versorgungszeitalter.
Zwei Jahre später, am 15. Februar 1854, stellt das Ostersche Werk am damaligen Breitengrabenweg erstmals Gas her. Nach der Geburtsstunde der öffentlichen Gasversorgung lassen die ersten Kinderkrankheiten nicht lange auf sich warten. Schon bald nach der Eröffnung des Gaswerks beklagen sich die Bonner über die Qualität, den Preis und die unzureichende Leuchtkraft des Osterschen Kokereigases.
Die zunehmende Unzufriedenheit mit dem privaten Gaslieferer veranlasst die Bonner Stadtväter, über die Zukunft der Gasversorgung nachzudenken. Dabei stehen sie vor zwei Alternativen: Entweder die Gasversorgung bleibt weiterhin in privater Hand oder aber die Stadt selbst übernimmt die Verantwortung.
Von der skeptischen Haltung, die noch vor der Einführung der Gasbeleuchtung in Bonn unter den Stadtvätern grassierte, sind diese mittlerweile kuriert. Als heilende Medizin hat sich die gute Ertragslage des Osterschen Gaswerks erwiesen, die das finanzielle Risiko bei Bau und Betrieb einer solchen Anlage durchaus zu rechtfertigen scheint.
Neben dem lukrativen Aspekt erkennen die Herren Stadträte zudem, wie wichtig eine funktionierende öffentliche Gasversorgung für die Entwicklung einer florierenden Stadt wie Bonn ist. Und die Kreisstadt wächst stetig, im Jahr 1880 zählt sie etwa 31.500 Einwohner.
Der Entschluss der Stadtverordneten steht somit fest: Ein neues Gaswerk in städtischer Regie soll gebaut werden. Es entsteht an der Karlstraße nach den Plänen des Ingenieurs und späteren Direktors Heinrich Söhren. Nach zwei Jahren Bauzeit ist das Gaswerk für 643.396 Mark fertiggestellt und damit der Grundstein für die kommunale Gaserzeugung in Bonn gelegt.
Am 1. April 1879 erhalten die Bonner erstmals Gas aus ihrem städtischen Werk.
Die Qualität des in eigener Produktion entstehenden Gases überzeugt.
Die Bonner Zeitung schreibt einen Tag vor der Eröffnung des Gaswerks: „Eine Anzahl dieser Öfen wurde seit mehreren Tagen in Betrieb gesetzt, und hat sich nicht allein sofort ohne jeden Zwischenfall reichliches, sondern auch schönes Gas ergeben.“
1.205 private Kunden kommen für zunächst 20 Pfennig pro Kubikmeter in den Genuss dieses „schönen“ Stadtgases - so heißt das Kokereigas seit diesem Zeitpunkt, da es nun in einem kommunalen Betrieb hergestellt wird.
Die Stadtverordneten behalten mit ihrer an den Bau und den Betrieb eines Gaswerks geknüpften Erwartung Recht. Das städtische Unternehmen erwirtschaftet in den ersten Jahren erhebliche Gewinne. Eine Erweiterung des Werks erfolgt durch den Bau einer zweiten Anlage zwischen 1890 und 1894.
Der Arbeitsalltag im städtischen Gaswerk ist überaus anstrengend.
Die Arbeit an den Gasöfen und Rohrleitungen mit Kohle und Koks ist schwer und schmutzig.
Der Tag dauert von 7.00 Uhr morgens bis 19.00 Uhr abends. Mittags dürfen sich die Arbeiter in einer einstündigen Pause von den Strapazen ausruhen. Während der Arbeit gibt es umsonst kalten Kaffee und Trinkwasser-Zusatz.
Für eine zwölfstündige Schicht beziehen beispielsweise die Feuerleute im Jahr 1906 einen Lohn von 4,20 Mark. Wenn der Arbeiter während des ganzen Monats keine Schicht versäumt, bekommt er eine Zulage von immerhin 30 Pfennig, für die 24-Stunden-Schicht sogar eine Prämie von 2 Mark.
Im Jahr 1905 feiern Feuerleute, Handwerker und Arbeiter ein besonderes Ereignis: ihren ersten bezahlten Sommerurlaub. Erstmals bekommt die Mannschaft des Gaswerks für ihre geleistete Arbeit auch ein Recht auf Erholung zugestanden – nach fünf Jahren erhalten die Arbeiter drei Tage, nach zehn Jahren eine ganze Woche Sommerurlaub. Zum Zeitpunkt dieser sozialen Errungenschaft sind insgesamt 162 Mitarbeiter im Bonner Gaswerk beschäftigt. (Text: Tanja Kuhl, Foto: Stadtarchiv und Stadthistorische Bibliothek Bonn)