Am 19. April schlägt die Geburtsstunde des innerstädtischen Bonner Nahverkehrs: Eine „Päädsbahn“ bringt seit diesem Tag die Bönnschen Fahrgäste im gemächlichen Schritt auf Trab.
Die erste Bonner Straßenbahn wird nicht durch elektrischen Strom betrieben, sondern von Pferden über die Gleise gezogen. Während gegen Ende des vorletzten Jahrhunderts bereits eine elektrische Straßenbahn durch Berlin braust, lassen es die Bonner noch etwas gemütlicher angehen und sich von der Pferdebahn heimschaukeln.
Das öffentliche Verkehrsmittel trottet zunächst in Regie eines privaten Unternehmens durch die Bonner Straßen. Da die Stadtverordneten unter Oberbürgermeister Hermann Jakob Doetsch das finanzielle Risiko eines Bahnunternehmens in eigener Hand scheuen, schließen sie am 22. und 25. August 1890 mit der Berliner Firma Havestadt, Contag & Co. einen Vertrag über die Errichtung einer Pferdebahn für Bonn und einer Dampfbahn nach Mehlem.
Die Bonner Pferdebahn fährt zunächst auf zwei Strecken durch die Stadt: vom Betriebshof an der Villa Loeschigk in der Coblenzer Straße (heute: Adenauerallee)/Ecke Reuterstraße über den Marktplatz bis nach Poppelsdorf (Linie A) und vom Markt zum Wilhelmsplatz, seit Juni 1893 sogar bis zur Heerstraße (Linie B).
Der Bonner Marktplatz entwickelt sich somit zu dem zentralen Umsteigepunkt der beiden Pferdebahnlinien. Für die Mobilität der Bonner bedeutet die Eröffnung der Pferdebahn einen großen Fortschritt. Bisher sind sie meist mit dem Pferdefuhrwerk, dem Fahrrad oder auf Schusters Rappen unterwegs, um das ersehnte Ziel zu erreichen. Nun bringt sie die „Päädsbahn“ in nur 50 Minuten von der Coblenzer Straße in die benachbarte Gemeinde Poppelsdorf.
Eine Fahrt mit der Pferdebahn von Poppelsdorf zum Markt kostet 10 Pfennig, von Poppelsdorf oder der Villa Loeschigk über den Markt bis zum Wilhelmsplatz 20 Pfennig. Während einer solchen Fahrt mit der „Päädsbahn“ müssen sich ihre Passagiere an bestimmte Regeln halten, die in einer Polizeiverordnung vom 26. Mai 1891 festgelegt sind. Dort steht:
„Das Überhängen der Beine über die Lehnen der Außenplätze während der Fahrt ist verboten. Ferner verboten ist das Rauchen im Inneren der Wagen, Singen, Lärmen, Pfeifen sowie unanständiges Betragen, die Mitnahme geladener Gewehre und gefährlicher scharfer oder spitzer Gegenstände ohne Hülle auf die Wagen und die Mitnahme von Gepäckstücken, die durch ihren Umfang, üblen Geruch oder schmutzige Beschaffenheit den anderen Fahrgästen lästig werden können.“
Verstößt ein Fahrgast gegen diese Vorschriften, folgt die Strafe auf dem Fuße: Der Schaffner verwehrt dem Missetäter sofort die Weiterfahrt mit der Bahn. „Eine Rückgewähr des bereits gezahlten Fahrgeldes haben die aus derartigen Gründen Entfernten nicht zu beanspruchen“, so die Polizeiverordnung.
Um die Jahrhundertwende floriert das Pferdebahnunternehmen. Zu diesem Zeitpunkt findet die noch eigenständige Gemeinde Kessenich Anschluss an das Pferdebahnnetz. Ab 1897 fährt die „Päädsbahn“ bis zur Pützstraße. Die Linie B wird im Frühjahr 1901 von der Heerstraße zur Ellerstraße verlängert.
Zwei Jahre später, am 22. Februar 1903, rumpeln die Pferdebahnwagen von der Poppelsdorfer Allee sogar bis nach Endenich. In der Pastoratsgasse wird für die neue Linie ein weiteres Depot für Waggons und Tiere errichtet. Damit hat die „Päädsbahn“ ihre größte Ausdehnung erreicht.
Der Linie nach Endenich ist allerdings nur eine kurze Lebensdauer vergönnt. Denn ein Jahr zuvor hat der technische Fortschritt auch in Bonn Einzug gehalten: Die erste elektrische Straßenbahn startet am 21. Mai 1902 zu ihrer Jungfernfahrt über die nagelneue Rheinbrücke in Richtung Beuel.
Seit diesem historischen Ereignis überlegen die Stadtväter, auch die beiden privaten Bahngesellschaften, die Pferdebahn und die Dampfbahn, in das städtische Unternehmen einzubeziehen und auf elektrischen Betrieb umzustellen. Am 1. November 1905 ist es soweit: „Päädsbahn“ und Trambahn wechseln für 3,1 Millionen Mark den Besitzer. (Text: Tanja Kuhl, Fotos: Stadtwerke Bonn)