Am 1. April geht das im Jahr 1875 in Betrieb genommene private Wasserwerk an der Gronau in den Besitz der Stadt über. Damit befinden sich die Bonner Energie- und Wasserversorgung in städtischer Regie. Direktor Heinrich Söhren (siehe Foto) übernimmt die gleichzeitige Betriebsleitung der Versorgungsbetriebe.
Heute ist der Genuss des Bonner Trinkwassers aus dem hauseigenen „Zapfhahn“ für die rund 1 Million Menschen, die im Versorgungsgebiet der Stadtwerke Bonn (SWB) leben, alltäglich. Hahn auf, das Wasser fließt – so einfach und bequem war die Wasserversorgung nicht immer, wie ein Blick in die Geschichte zeigt.
Noch zu Zeiten unserer Großväter im 19. Jahrhundert sah der alltägliche Umgang mit dem kostbaren Elixier ganz anders aus.
Um an trinkbares Wasser zu kommen, mussten die Bonner noch ihr Zuhause verlassen und einen der vielen Brunnen aufsuchen. Ein solcher hauseigener oder öffentlicher Brunnen wurde auch „Pütz“, später auch Pumpe oder „Pömpche“ genannt.
Wenn im Haushalt Wasser benötigt wurde oder der Badezuber gefüllt werden musste, ging es mit Eimern, Bütten und Kellen bewaffnet zum nächstgelegenen „Pütz“.
In fast jeder Straße in Bonn war damals ein Brunnen zu finden. So erquickten „Trinkwasserspender“ Mensch und Tier beispielsweise auf dem Marktplatz, in der Remigiusstraße, der Sternstraße, der Kölnstraße, der Sandkaule oder Am Belderberg.
Aus dem „Pütz“ schöpften die Bonner eigenhändig das Wasser. Dies war ein mühsames Unterfangen.
Noch beschwerlicher gestaltete sich indes der anschließende Rückweg, wenn die Last der schweren Ladung schmerzte und die gefüllten Eimer viele Stockwerke hinauf in die Wohnung geschleppt werden mussten. Daher zögerten die „Wasserträger“ den Heimweg meist noch ein wenig heraus und legten erst einmal eine wohlverdiente Pause direkt am Brunnen ein. Dort plauderten sie mit anderen Bonnern ein wenig über Gott und die Welt oder tauschten den neuesten Klatsch aus.
Der „Pütz“ als Treffpunkt des sozialen Lebens war auch beliebt bei der Bonner Jugend, die sich bevorzugt an der Fontäne auf dem Marktplatz versammelte.
Dabei kamen die Pänz nicht selten auf aberwitzige Streiche und machten sich einen Spaß daraus, das Brunnenwasser zu verunreinigen. Damit solche Scherze nicht zu oft geschahen, sorgten Brunnenmeister für Recht und Ordnung an den Wasserstellen und hielten den „Pütz“ instand.
Neben den Strapazen des Wasserholens waren der Wassermangel in den Sommermonaten und die schlechte hygienische Qualität des Brunnenwassers alltägliche Nöte, mit denen die Bonner zur damaligen Zeit leben mussten.
Die Bonner Zeitung veröffentlichte im Juni 1870 einen Antrag der Bonner Bürgerschaft, der auf die alarmierenden Missstände in der Wasserversorgung hinwies: „Die traute, langjährige Nachbarschaft der Brunnen, Aborte und Senken in den engen Gehöften und der frühere Mangel an Abzugskanälen haben eine Verschlechterung des Brunnenwassers durch in Fäulnis übergegangene Stoffe herbeigeführt. [...] Gesundes und ausreichendes Wasser in den Röhren einer Stadt ist dasselbe, wie gesundes Blut in den Adern eines Menschen.“
Die katastrophalen sanitären Verhältnisse prangerte auch die Bonner Ärzteschaft an. In einem Vortrag machte der Bonner Professor Finkelnburg auf die weitreichenden Gefahren der Wasserverschmutzung aufmerksam und bezeichnete Bonn als „einen fruchtbaren Boden zur Ausbreitung von Epidemien“.
Die Verunreinigung des Wassers durch Schmutz und Krankheitskeime führe zu erheblichen gesundheitlichen Schäden bei der Bonner Bevölkerung – vor allem bei den ärmeren Schichten.
Um die verheerenden Folgen für die eigene Gesundheit anschaulich zu machen, griff Finkelnburg zu konkreten Zahlen: Während die Bonner Einwohner durchschnittlich 38,5 Jahre alt wurden, lag die Lebenserwartung der Belgier bei 45 Jahren und die der Engländer sogar bei stolzen 48 Jahren.
Das hartnäckige Drängen der Ärzte und des Bürgertums auf eine zentrale Wasserversorgung und ein funktionierendes Abwassernetz hatte Erfolg:
Am 1. April 1875 eröffnete das erste Wasserwerk im privaten Besitz an der Gronau seinen Betrieb. Damit begann eine neue Ära in der Geschichte der Bonner Wasserversorgung.
Übrigens: Die erste kommunale Wasserversorgung in Bonn war keineswegs eine moderne Erfindung des 19. Jahrhunderts.
Schon die alten Römer kochten ihr Süppchen bereits vor 2.000 Jahren mit Bonner Wasser.
Sie wussten, wie wichtig sauberes Trinkwasser für die Gesundheit der Menschen war, die im Lager auf engstem Raum miteinander lebten. Daher bauten sie kanalartige Wasserleitungen aus Tonröhren, die das frische Quellwasser viele Kilometer weit transportieren konnten.
Diese ausgefeilte Technik geriet nach dem Ende der römischen Herrschaft am Rhein aber erst einmal für lange Zeit in Vergessenheit. (Text: Tanja Kuhl, Foto: Stadtwerke Bonn)